Sommer 1890
Bademoral
"Durch einfache Kleidung
kann sich eine Frau gewissermaßen unsichtbar machen. Man weiß: Die
Badegesellschaft führt gewissenhaft Buch über jeden Flirt und nicht
immer sind die hofmachenden Herren auf Freiersfüßen und nicht immer
die reizenden Herzensräuberinnen verheiratungsbedürftige junge
Mädchen. Ist die umworbene zufällig eine verheiratete Frau, so ist
es mindestens nötig, das sie sich von vielen gleichzeitig umwerben
läßt.
Erlaubt ist, was gefällt;
eine Abweichung vom allgemein üblichen Badeanzug dagegen würde
missliebig auffallen. Wesentliches der Anmut liegt im Hut; das ist
bei der Wassertoilette nicht anders wie auf der Promenade. Die neue
Saison hat den Strand mit reizenden Hüten bevölkert: aus spanischen
Shawls gewundene Turbans, aus geblumten Foulards gezogene Kappen,
große, breitrandige mit Korallen und Tang garnierte Basthüte,
Strohhüte, die mit feinem Netzwerk überzogen sind, kleine reizende
Taffethäubchen, weiß lakiert mit buntem Blumendruck und steifer
Rüsche."
aus „Über Land und Meer“
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